Ein Klinkheider erinnert sich

Erinnerungen von Franz C., einem Ur-Klinkheider

1932 war mein Geburtsjahr.



Ich bin 1938 an der Klinkheider Schule eingeschult worden und kann mich noch gut an meine Lehrpersonen Fräulein J. Offergelt, Fräulein Lammertz und an Herrn Heinz erinnern. Sie behandelten uns liebevoll bis streng. Manchmal, wenn „ man sich eins gelappt hatte“, setzte es sogar Prügel.



Mein Vater arbeitete zuerst auf der Grube Gouley als Bergmann in Würselen. Er war Mitglied im Trommler und Pfeiferkorps Kohlscheid Nord. Dieses Korps spielte so hervorragend, dass es viele Wettbewerbe sowie Preise gewann und großes Ansehen auch im weiteren Umkreis genoss.


Deshalb wurden die Musiker einfach in Parteiuniformen der Nazis gesteckt und hatten zu deren Veranstaltungen- meistens auf dem Markt, gegenüber der Einmündung der Weststraße, in Kohlscheid- zu spielen. Zweimal hatten sie sogar in Nürnberg auf dem Reichsparteitag aufzutreten. Daran erinnert mich noch heute ein aufziehbares „Trommelemännchen“, das mein Vater mir kleinem Jungen von da 1936 mitbrachte.


Das Korps traf sich zu Versammlungen und zum Üben in Klinkheide beim „Chinees“. Gemeint war damit der Wirt Heinrich Wirtz, der so genannt wurde, weil er zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei der Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ in China beteiligt war. Später, von 1952 bis 1972 bin auch ich im Korps als Lyraspieler Mitglied gewesen. Kurz nachdem mein Vater zum Militär eingezogen war, wurde er „reklamiert“, also wieder vom Dienst freigestellt, weil Kohle so dringend in der Industrie benötigt wurde, und begann auf Grube Voccart erneut seine Bergmannstätigkeit.

Zum damaligen Zeitpunkt schon konnte man seiner Art, schwer zu atmen anhören, dass er Steinstaub in der Lunge hatte. Zu allem Überfluss brach er sich auch noch bei einem Unfall vor Ort einige Knochen. Gut kann ich mich daran erinnern, dass im Jahre 1939 der RAD ( Reichsarbeitsdienst ) im Gebiet Forensberg und am unteren Ende der Projektstraße im Rahmen der Westwallarbeiten Stellungen aushoben. Im Mai 1940, also unmittelbar vor dem Einmarsch in die Niederlande, stellte eine Flak Kompanie ihre riesengroßen Geschütze auf unserem Klinkheider Schulhof unter den Bäumen ab. Gleichzeitig war eine Infanterieeinheit unter einem Oberfeldwebel Cordes in Klinkheide bei Privatleuten einquartiert. Gegenüber unserer Wohnung im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Grube Sichelscheid ( heute heißt die Straße immer noch so ) waren einige Soldaten auf dem Speicher untergebracht und feierten oft im Hof mit Akkordeon und Gesang.  Jeder Junge musste damals dem „Jungvolk“ beitreten. Wir „Pimpfe“ mussten regelmäßig Aufmarschübungen auf dem KBC- Fußballplatz an der Nordstraße machen. Oft auch sogenannte „Waldspiele“. Nach 1942 sind den Gruben des EBV sehr viele russische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit zugeordnet worden. So hat auch mein Vater mit ihnen zu tun gehabt. Meine Mutter musste immer mehr Butterbrote schmieren, denn er sagte immer: “Ich kann mich doch nicht dahinstellen und zu essen anfangen, wenn der arme „Petär“ nichts hat!“ Das war der Anlass dazu, dass ihn ein linientreuer Nazi denunziert hat. Prompt musste mein Vater wieder Soldat werden und zwar in einer Strafkompanie in Melk/Österreich. Beim ersten Besuch meiner Mutter an diesem Standort, kam er bei einem Bombenangriff ums Leben. Um 1943 haben Bergleute des EBV für die Klinkheider einen Luftschutzstollen gebaut. Zuerst hat man versucht, diesen Stollen auf dem Platz zwischen dem Kreuz und der Schule niederzubringen. Der Versuch aber schlug wegen Wassereinbruchs fehl. Dann grub man den Bunker in ca. 5m Tiefe an der mittleren Bendstraße und sicherte ihn bergmännisch durch einen Türstockausbau mit Hölzern. Wie gesagt, befand sich der Eingang in der Mitte der Bendstraße und der Ausgang zum Wurmtal hin, am so genannten „Kreienberg“( das bedeutet :Schuttabladeplatz ). Rechts und links waren im Gang Bänke aufgestellt, auf die sich die Klinkheider mit ihren Köfferchen setzten, in denen sie das Notwendigste mit sich führten. Meistens verhielten sich die Leute ruhig und gelassen, bis Entwarnung gegeben wurde, schimpften aber auf die feindlichen Bomberpiloten, die sie in den Luftschutzstollen zwangen. Beide Zugänge waren mit gezimmerten Holztüren verschlossen. Im Bunker selber war es immer unangenehm feucht bis nass. Dieser Stollen ist unmittelbar nach Kriegsende verfüllt worden und heute nicht mehr zu sehen. Im Herbst 1944 mussten meine Mutter und ich evakuiert werden. Vom Bahnhof in Aldenhoven verschlug es uns in die Nähe von Liebenwerda, Sachsen. Die Menschen hatten bestimmt nicht grundlos große Angst vor Verschleppungen durch russische Soldaten. Bei Torgau gab es wegen der Russen beim Übergang über die Mulde Probleme, so dass über zwei Monate vergingen, bis wir wieder zuhause in Klinkheide waren.